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Man Space and INCLUSION

"Jeder Mensch ist gehandicapt. Wir wollen Räume gestalten, die jedem Zugang ermöglichen", sagte Moderator Jan Phillip Ley beim 11. Symposium des hochschuleigenen Forschungsschwerpunkts PerceptionLab. Es stand in diesem Jahr unter dem Thema "Mensch, Raum und Inklusion" und fand erstmals mit internationaler Beteiligung am Freitag, 19. Oktober auf dem Detmolder Campus der Hochschule OWL statt. Gleichzeitig endete damit eine internationale Workshopwoche. 

Bei Inklusion gehe es nicht nur um Rollstühle und Treppen, so Prof. Ulrich Nether, Organisator des Symposiums und Sprecher des PerceptionLabs. Vielmehr finde Inklusion dort statt, "wo Menschen den Raum mitgestalten." 

Weg von der rein visuellen Architektur hin zu einer multisensorischen, einer Kultur, die alle Sinne anspricht, dafür setzte sich Thomas Tajo in seinem Vortrag ein. Der US-Amerikaner, derzeit in Belgien tätiger Forscher, ist selbst blind und plädierte dafür, durch die gebaute Umwelt auch das nicht-visuelle Gehirn zu aktivieren, anderenfalls würden diese nicht-visuellen Sinne verkümmern. Er ist bei den "Visioneers" aktiv, einer Non-Profit Korporation in Kalifornien, die es sich zum Ziel gemacht hat, Blinden das Sehen durch Schall - z.B. durch die Klick-Sonar-Technik - beizubringen (http://visioneers.org/). 

Wie Universal Design das Lernen unterstützen kann, zeigte das Beispiel der geplanten Umgestaltung der Bielefelder Laborschule. Das offene Raumkonzept der experimentellen Bildungseinrichtung sei in die Jahre gekommen. Es bevorzuge stärkere Schülerinnen und Schüler, während schwächere sich in dieser unruhigen Lernatmosphäre weniger konzentrieren könnten. Gleichwohl bewerteten in einer Umfrage 82 Prozent das offene Raumkonzept positiv. So seien bei einer Neugestaltung des gemeinsamen Raums Lösungen des akustischen Problems sowie mehr Rückzugsmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler gefragt. Als Pädagogen und Forscher begleiteten Marlena Dorniak und Dr. Christian Timo Zenke von der Universität Bielefeld das Projekt. Prof. Eva Filter vom Lehrgebiet Wohnen an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur stellte die entstandenen Entwürfe und drei Prototypen vor. 

Oft habe man das Gefühl, dass der Nutzer der Feind von Architekten und Designern sei. Herausragendes Design sei oft sehr rigide und exklusiv. "Es lässt keinen Platz für Individualität", so die Designerin Christine van Meegen und der Künstler Sebastian Kubersky (Rotterdam) vom Studio C.A.R.E. Ihr Lösungsansatz für das Problem: "Kuratierte Katastrophen", die erst einmal eine "tabula rasa"-Situation herstellten. Nach der Dekonstruktion folge dann die Rekonstruktion, wobei das Selbstgestalten durch den Nutzer (Do-it-yourself) und ein prozess-orientiertes Design im Vordergrund stehe. http://studio-c-a-r-e.com/

Die Berliner Non-Profit-Organisation "be able" ist ein Kreativkollektiv für Inklusion durch Design. Bereits 2010 entwickelte die Produktdesignerin Isabelle Dechamps das mehrfach ausgezeichnete Bildungskonzept von "be able" in Kooperation mit einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Dechamps stellte auf dem Symposium drei Projekte vor. Wichtig sei dabei: sorgfältig zu planen, die Leute zu befähigen, es selbst zu machen und dann seinen Entwurf loslassen zu können. "Don´t overdesign", so ihre Empfehlung. https://be-able.info/de/

Ein Beispiel für inklusive Architektur stellt das Projekt WOODIE im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg dar. Die Wohnungen wurden von Sauerbruch Hutton Architekten speziell für Studierende entwickelt. Inspiriert von den Container-Stapeln im Hamburger Hafen entstand die Idee, die Wohneinheiten aus Holz in Containerform vorzufertigen und in Modularbauweise zur realisieren. Das Projekt stellte der Architekt Cornelius Voss vom Bauträger PRIMUS developments GmbH vor, die WOODIE gemeinsam mit der Senectus GmbH realisiert hat. https://www.woodie.hamburg/de/ 

Inklusion von Menschen mit Behinderung im Alltag

Mit dem Thema Inklusion befasst sich auch das "ERASMUS+"-Projekt PUDCAD, das Prof. Özge Cordan (Technische Uni. Istanbul) vorstellte und an dem die Hochschule OWL beteiligt ist. Das PUDCAD-Projekt (Practicing Universal Design Principles in Design Education through a CAD-Based Game) befasst sich mit einem der wichtigsten Themen der Europäischen Kommission: der Inklusion von Menschen mit Behinderung im alltäglichen Leben. 

Den europäischen Universal Design-Standards folgend soll über das Projekt eine CAD-basierte Plattform in Gestalt einer Gamesoftware entwickelt werden, mit deren Hilfe Studierenden die Prinzipien des Universal Designs näher gebracht werden, um das eigene Wissen auf kreative und empathische Weise auszubauen. Es soll eine interaktive Plattform entstehen, über die in einem europäischen Netzwerk an innovativen Ideen und Methoden für die Inklusion körperlich beeinträchtigter Menschen im gebauten Raum gearbeitet werden soll. Das Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren und wurde 2017 gestartet. Koordinator ist die Fakultät für Architektur an der Technischen Universität Istanbul, Türkei. Weitere Projektpartner neben der Hochschule OWL (Detmold) sind: Institute of Design and Fine Arts, Lahti University of Applied Sciences, Finland; Dipartimento di Architettura, Università degli Studi di Firenze, Italy; Dipartimento di Design, Politecnico di Milano, Italy; Association for Well-being of Children with Cerebral Palsy, Turkey; Occupational Therapy Association of Turkey. 

Etwa 30 Studierende von den Projektpartnern aus Italien, Finnland, Deutschland und der Türkei gestalteten jetzt in einer Woche Räume des gemeinsamen Lernens für jeden, unabhängig von seinen persönlichen Fähigkeiten. "Universal Playground" war die Ausstellung betitelt, die den Symposiumsbesuchern vorgestellt wurde. Darüber hinaus wurden während einer Poster-Präsentation erste wissenschaftliche Ergebnisse des PUDCAD-Projekts vorgestellt. Jeder der Partner hatte dazu im jeweiligen Heimatland zwei weiterführende Schulen nach Universal Design-Kriterien untersucht, um den Status-quo im internationalen Vergleich herauszuarbeiten. Diese Case-Studies stellen eine Art Grundlage für den folgenden Prozess des Projekts dar.

Text: Heide Teschner